Rebecca Schett: das Familienerbe in besten Händen

Man will es gar nicht glauben. Vor 40 Jahren war heimische Schafwolle quasi wertlos. ‚Zu rauh und zu starr‘ hieß es damals, sei die Wolle alpiner Schafrassen. Ein Mann aus Innervillgraten wollte das so nicht stehen lassen. Sein Name: Josef Schett.

Der einstige Bankangestellte gründete ein Unternehmen, entwickelte innovative neue Produkte und verwertet seither mit großem Erfolg den einst als Abfall abgekanzelten Rohstoff. Heute darf die ‚Villgrater Natur’ mit Fug und Recht als regionales Leuchtturmprojekt bezeichnet werden. Das Familienunternehmen verarbeitet in Innervillgraten 160 Tonnen Schafwolle aus den Alpenländern, vor allem aus Österreich. Die Tatsache, dass Josefs Tochter Rebecca seit drei Jahren den Betrieb in 2. Generation führt, motivierte mich, wieder einmal in der Zentrale der ‚Villgrater Natur’ vorbeizuschauen. Vor allem aber wollte ich wissen, wie’s jener jungen Frau als Nachfolgerin ihres Vaters geht, die sich in eine Männerdomäne vorgewagt hat.

Die Zentrale der ‚Villgrater Natur‘ in Innervillgraten. ©Villgrater Natur

Echter Patriotismus

Die klugen Leser_innen und Leser meines Blogs werden es schon längst bemerkt haben: ich bin eine Art Innervillgraten-Afficionado. Wie erwähnt war es Josef Schett, der mich erstmals hierher ‚lockte‘. In der Zwischenzeit bin ich X-mal auf Besuch in Innervillgraten gewesen. Mein dortiger Bekanntenkreis besteht aus einer speziellen Art von Menschen, die ich als ‚tätige Patrioten‘ bezeichnen möchte. Sie grölen nicht fahnenschwingend in Bierzelten irgendwelche halblustigen Lieder sondern nehmen sich der Geschichte ihrer Region an, leiten daraus Zukunftsperspektiven ab und setzen diese auch tatkräftig um. Die Gründung der ‚Villgrater Natur‘ basiert exakt darauf: als die seit Jahrtausenden im Alpenraum bewährte Schafwolle nur noch als lästiger Abfall, quasi als Kompost betrachtet wurde, überlegte deren Gründer, wie man sie erfolgreich verarbeiten und verkaufen könnte. Und nebenbei auch noch Arbeitsplätze im Ort schafft.

Schetts Schafherde auf dem Weg ins Sommerlager zur unvergleichlichen Oberstalleralm in Innervillgraten. ©Villgrater Natur

Tochter Rebecca hat das Ruder übernommen

Bei meinem letzten Besuch im malerischen Innervillgraten wurde mir schlagartig bewusst, dass ich mich mit Riesenschritten einem Dasein als ‚Zeitzeuge‘ nähere. Man schrieb das Jahr 1988, als ich das erste Mal nach Innervillgraten kam. Um dort vor einer Bauernversammlung, die von einem gewissen Josef Schett organisiert worden war. Ich sollte über meine Erfahrungen in der bäuerlichen Direktvermarktung, die wir mit der KOPRA, ‚Konsumenten-Produzenten-Arbeitsgruppe‘ in Vorarlberg gemacht hatten, berichten. 36 Jahre später hat Josef ein Vorzeigeunternehmen geschaffen, das sich auf die Verarbeitung jener Ressource spezialisiert hat, die es im Villgratental schon immer zuhauf gab. Und: Josef Schett saß bei meinem jüngsten Besuch nicht mehr am Schalthebel der ‚Villgrater Natur‘. Tochter Rebecca hat das Ruder übernommen. Obwohl sie das nicht ausdrücklich geplant hatte.

Sie hat in Wien internationale Wirtschaft studiert, in Chicago und im Baltikum bei Konzernen gearbeitet. „Aber ich wollte etwas Sinnstiftendes machen“ erzählt sie mir. Da sie die ‚Villgrater Natur‘ schon in ihrer Studienzeit auf Messebesuchen betreut hatte war die Entscheidung zum Einstieg als Firmenleiterin nicht allzu schwer. Leicht gemacht hatte es sich die heute 36jährige Mutter einer Tochter und eines Sohnes im Familienunternehhmen aber keineswegs. „Ich habe im Betrieb ganz klassisch begonnen, im Verkauf. Und dann habe ich mich hochgearbeitet, um alle betrieblichen Abläufe im Detail kennen zu lernen.“

Wie es ist, als junge Frau in einer ‚klassische‘ Männerdomäne namens ‚Schafzucht’ aufzutreten wollte ich von Rebecca wissen. Da habe sie eigentlich keine Probleme, sagt sie. „In der Baubranche und bei Handwerkern sei das Erstaunen oft groß“, wenn sie als Fachfrau mit Lösungskompetenz auftrete. „Aber die sind – wenn ich sie das erste Mal besuche – oft auch froh, wenn eine Frau daherkommt.“

Inmitten der Herde: Rebecca Schett. ©Villgrater Natur

Bergbauerntochter als Managerin

Ihre Management-Fähigkeiten hat sie vermutlich bereits im Kindesalter entwickelt. Sie ist die Älteste von vier Schwestern, Bruder hat’s keinen gegeben. Ich nehme stark an, dass sie es war, die in der Mädchenrunde schon das Ruder in der Hand hielt. „Ich gebe nicht nach“ sagt sie denn auch mit Nachdruck. Der Satz drückt jene Einstellung aus, die ich für Manager_innen unabdingbar erachte. Und mit der Arbeit auf einem Bergbauernhof ist sie von Kindes Beinen an vertraut. (Die Hanglage des Schett’schen Wegleiterhofs ist dazu angetan, dass schon ein Sprung aus dem Kellerfenster als Selbstmord gewertet werden könnte.) „Selbstverständlich haben wir immer am Hof mitgeholfen“ erzählt sie. „Eine mädchenspezifische Erziehung war das mit Sicherheit nicht.“ Mit anderen Worten: Rebecca weiß, worum es in der Berglandwirtschaft geht und wie die Berg- und Schafbauern ‚ticken‘. Besitzt doch die Familie eine stattliche Herde.

Der ‚Waldhof‘ der Familie Schett hoch über Innervillgraten. ©W. Kräutler

Der Vater wird zum ‚Backup‘

Dass ihr Vater nach wie vor im Betrieb mitarbeitet sei da kein Hindernis, sagt Rebecca. Denn Josef Schett sitzt in einem Nebenbüro, da könnte man als Unbeteiligter annehmen, es gäbe bisweilen unterschiedliche Auffassungen über betriebliche Entscheidungen. „Ganz und gar nicht“, sagt die Jung-Managerin. „Mein Vater und ich haben ein wahnsinnig gutes, offenes und vor allem enges Verhältnis.“

Mit Sicherheit war es sehr klug, sich bei der Betriebsübergabe vor drei Jahren extern begleiten zu lassen. Rebecca: „Es war keine ad hoc – Geschichte, wir haben die Übergabe in allen Details geplant.“ Dass ihr Vater nach wie vor ‚verfügbar‘ sei komme ihr als Mutter zweier Kinder bisweilen sehr entgegen. „Er ist eine Art Backup auf das ich mich 100prozentig verlassen kann. Die letztendliche Entscheidung liegt dann formell bei mir.“

Josef Schett mit Tochter Rebecca ©Villgrater Natur/Martin Lugger

Corona brachte ein Nachdenken über regionale Produkte

Für den Familienbetrieb war die Corona-Pandemie so etwas ähnliches wie eine weitere ‚Initialzündung‘. „Wir können seither einen starken Trend in Richtung natürlicher Fasern wie die Schafwolle feststellen“ sagt Rebecca Schett. „Viele Menschen hatten bei den Lockdowns nach lokalen oder regionalen Alternativen zu chemisch-industriellen Materialien gesucht und sie bei uns gefunden.“

Die Firmenphilosophie der Villgrater Natur kann man in einem Satz zusammenfassen: „Wolle für den Wohnbereich“.

Wenn man die volle Breite der Produktpalette der ‚Villgrater Natur‘ kennt ahnt man, wie viel Entwicklungsarbeit dafür in den bisherigen 40 Jahren des Bestandes geleistet werden musste. Josef Schett hatte sich von vornherein das Ziel gesetzt, soviel Schafwolle wie möglich zu verarbeiten. Allein mit der Herstellung von Filzpantoffeln oder Strickwolle wäre das nie möglich gewesen. Bei der Rückbesinnung auf alte Anwendungen hat er im Laufe der Studien die Wärmedämmung und Trittschall-Dämpfung mittels Schafwolle wieder entdeckt‘.

Wärmedämmung mit Schafwolle, quasi ein uraltes Patentrezept.

Natürliche Trittschalldämmung aus dem Hause Villgrater Natur.

Auch im Bereich des ‚gesunden Schlafes‘ hat die ‚Villgrater Natur‘ Pionierarbeit geleistet. Mit Willi Dungl wurden körperanpassende Betten entwickelt, gift- und chemiefreie Matratzen und ‚Bettzeug‘ aus Schafwolle runden dieses Angebot ideal ab.

Der Schauraum in der Innervillgrater Zentrale der Villgrater Natur. ©W. Kräutler

Exkursionen zur Villgrater Natur

Bei meinem Besuch kam ich sogar in den Genuss einer ‚Betriebsführung‘ von Rebecca. Sie baut im Marketing darauf, möglichst vielen Menschen die Produkte persönlich zu präsentieren. „Wir wollen den Menschen vor Ort zeigen, welche Produkte wir wie herstellen und was sie können“ sagt sie. „Ich häng mir nicht 30 Umwelt- oder Biozertifikate an die Wand. Bei uns wird den Kunden alles erklärt und gezeigt.“

Die Attraktion ‚Villgrater Natur’ ist und bleibt sehr gefragt. Man muss es sich bildlich vorstellen: Jährlich finden rund 200 Busse aus Italien, Österreich und der Schweiz den Weg nach Innervillgraten zur ‚Villgrater Natur’. Die an solche Besuche anschließende positive ‚Mundpropaganda‘ ist mit Sicherheit unbezahlbar.

Besser kann ein Unternehmen wie die ‚Villgrater Natur‘ nicht beworben werden.

Die Chefin selbst führt Besucher_innen durch den Familienbetrieb in Innervillgraten. ©W. Kräutler

Besucher im Produktionsbetrieb Innervillgraten. ©W. Kräutler

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